Lori Vallow Daybell glaubte an den nahen Weltuntergang und an ihre eigene Auserwähltheit. Mit ihrem Liebhaber setzte sie sich nach Hawaii ab, nachdem sie dessen Ex-Frau und ihre zwei Kinder getötet hatten. Erst nach langen Nachforschungen konnte die Polizei ihre dunklen Geheimnisse lüften.
David Signer, Chicago
4 min
In ihren Weltuntergangsphantasien hielt sie sich für eine Göttin und ihre Kinder für Zombies. Wegen Mordes an ihrer Tochter und ihrem Adoptivsohn sowie Beteiligung am Mord an der Ehefrau ihres Lebensgefährten ist die 50-jährige Lori Vallow Daybell nun zu dreifach lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde am 31.Juli in St.Anthony im Gliedstaat Idaho verkündet. Ihre Untaten waren Gegenstand des Lifetime-Films «Doomsday Mom: The Lori Vallow Story» sowie der dreiteiligen Netflix-Serie «Die Verbrechen unserer Mutter», in der Vallows überlebender Sohn Colby schildert, wie seine Mutter in eine apokalyptische Weltanschauung abdriftete.
Sie glaubten, das Ende der Welt sei nah
Das Unheil begann, als die ehemalige Schönheitskönigin in Utah den 54-jährigen Chad Daybell kennenlernte. Sie nahmen beide an einer Tagung der «Preparing a People»-Sekte teil, die die Leute auf die zweite Ankunft von Jesus vorbereiten will. Daybell hielt dort einen Vortrag. Er sagte ihr, sie seien bereits sieben Mal in früheren Leben verheiratet gewesen, davon fünf Mal auf der Erde und zwei Mal auf einem anderen Planeten.
Chad Daybell, Anführer einer radikalen Mormonensplittergruppe, hatte als Totengräber gearbeitet sowie diverse Podcasts und Endzeit-Romane im Eigenverlag publiziert. Auch Vallow stammte aus einer Mormonenfamilie, glaubte, sie könne mit Engeln kommunizieren und sei eine Reinkarnation der Frau von Joseph Smith, dem Mormonismus-Gründer. Beide waren offenbar Mitglieder der Church of the Firstborn, einer fundamentalistischen Mormonensekte.
Zusammen schaukelten sich die beiden über die nahende Apokalypse und ihre eigene Auserwähltheit hoch. Sie glaubten, sie seien auserwählt worden, 144000 Personen anzuführen, um sie auf das Ende der Welt im Juli 2020 vorzubereiten. Gegenüber Bekannten sagte Lori Vallow Daybell, sie wolle nichts mehr mit ihrer Familie zu tun haben, weil sie nun eine wichtigere Mission auszuführen habe. Die beiden hielten sich für Wiedergeburten berühmter, auch biblischer Personen und unterteilten andere Menschen gemäss einer Hell-Dunkel-Skala. Die meisten, auch Vallows zwei Kinder, wurden als finstere Dämonen abqualifiziert, die «Hellen» waren dazu bestimmt, vom Paar errettet zu werden.
Nach dem Mord an Kindern und Ex-Frau ging’s nach Hawaii
Vallows Kinder Tylee und Joshua Jaxon, genannt JJ, wurden Ende 2019 von ihren Grosseltern als vermisst gemeldet. Beim Versuch, mit ihren Enkeln zu telefonieren, waren sie von der Mutter mit immer neuen Ausflüchten abgespeist worden. Zuletzt waren der 7-jährige Adoptivsohn JJ und die 16-jährige Tochter Tylee angeblich bei einer Freundin der Familie in Arizona in den Ferien, was sich jedoch als Lüge herausstellte. Bei ihren Nachforschungen war es der Polizei längere Zeit nicht möglich, die verschwundenen Kinder aufzuspüren. Der makabre Fall löste eine landesweite Fahndung nach Tylee und JJ aus, zahlreiche Freiwillige halfen bei der Suche, die amerikanischen Medien berichteten ausführlich über Vallow, die sie als «Doomsday Cult Mom» («Weltuntergangssekten-Mami») bezeichneten. Die Vermisstmeldungen wurden über soziale Netzwerke millionenfach verbreitet.
Bei den Ermittlungen stiessen die Behörden auf eine ganze Reihe von seltsamen Todesfällen im Umfeld des Paares. Vallows dritter Ehemann Joseph Ryan – der Vater von Tylee – war 2018 gestorben, offiziell an einem Herzinfarkt. Während der Scheidung von ihrem vierten Ehemann, Charles Vallow, wurde dieser von ihrem inzwischen verstorbenen Bruder im Juli 2019 erschossen – angeblich aus Notwehr. Auch in diesem Fall wurde sie später der Verschwörung angeklagt. Bei der Ermordung des Ehemanns ihrer Nichte war sie ebenfalls involviert. Er war aus einem fahrenden Auto erschossen worden. Im Oktober 2019 starb Daybells Ehefrau Tammy. Sie war in der Einfahrt ihres Hauses angeschossen worden und starb zehn Tage darauf – angeblich eines natürlichen Todes. Bei einer Exhumierung und Autopsie wurde dann jedoch festgestellt, dass sie erwürgt worden war. Vallow und Daybell zogen zwei Wochen nach dem Tod Tammys nach Hawaii, wo sie heirateten.
Nebst Religion ging es auch um den schnöden Mammon
Vallow und Daybell selbst hatten die beiden Kinder nie als vermisst gemeldet. Erst im Juni 2020 wurden die beiden Leichen, verscharrt auf einem Grundstück von Daybell in Idaho, gefunden. Das Mädchen war zerstückelt und verbrannt worden, die Leiche des Knaben in Plastikfolie eingewickelt. Die Mutter hatte weiterhin Sozialleistungen für die Kinder bezogen; Chad Daybell kassierte die Lebensversicherung seiner Frau Tammy.
Bei der Anhörung wies Vallow jede Schuld von sich. Niemand sei in diesem Fall getötet worden, sagte sie lächelnd. Ihre Kinder hätten sie nach ihrem Tod besucht und gesagt, sie seien glücklich. «Jesus Christus weiss, was wirklich passiert ist.» Der Richter stufte ihr fehlendes Schuldbewusstsein als strafverschärfend ein. Sie hat keinerlei Möglichkeit, irgendwann vorzeitig auf Bewährung entlassen zu werden.
Chad Daybells Prozess wird nächstes Jahr im April stattfinden. Er riskiert wegen der Beteiligung an mehreren Morden die Todesstrafe.
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Simon Hehli
Marie-Astrid Langer, San Francisco