Empire of the Ants im Test: Wunderschöner Ameisen-Simulator, langweilige Echtzeit-Strategie (2024)

In meiner Wahrnehmung des Waldes gibt es eine Zeit vor und eine Zeit nach "Die Ameisen". So heißt der erste Roman von Bernard Werber in dem die kleinen, sechsbeinigen Super-Insekten eine Hauptrolle spielen. Nachdem ich das Buch und seine Nachfolger als Kind regelrecht verschlungen habe, kann ich bis heute an keinem Ameisenhaufen, keinem Bienenstock und keinem Wespennest mehr vorbeigehen.

Die Brillanz staatenbildender Insekten ist für mich eines der Meisterstücke der Evolution. Keine andere Tierart schafft es, aus hunderttausenden schwächlichen Individuen eine so unüberwindbare Macht zu bilden. Ameisen formen ihre Umwelt, halten sich Vieh, züchten Pflanzen. Und sie führen erbitterten, endlosen und - aus menschlicher Sicht - grausamen Krieg, der ihre winzige Welt an jedem Zeitpunkt zu vernichten droht.

Zeit der Ameisen

Empire of the Ants orientiert sich erzählerisch am ersten Band des Ameisen-Zyklus von Werber. Im Mittelpunkt steht die Ameisenstadt Bel-O-Kan im Wald von Fontainebleau, südlich von Paris. Als erfahrene Kriegerin 103.683 sichere ich die Grenzen der Föderation - ein Verbund aus 64 Ameisenstaaten, die alle in verwandtschaftlichem Verhältnis zur Mutterstadt stehen. Dabei ziehe ich in Gefechte gegen Termiten und schwarze Ameisen, überquere gefährliche Wasserflächen und jage Glühwürmchen oder Schmetterlinge.

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Die größte Stärke von Empire of the Ants ist dabei die faszinierende Waldboden-Perspektive. Das kleine, französische Studio Tower Five setzt die Ameisen und ihre Umgebung spektakulär in Szene. Die Kamera ist ganz dicht dran an 103.683, die ich über Kiesel, Blätter, Äste und Gräser steuere. Denn Empire of the Ants ist zwar eigentlich ein Echtzeit-Strategiespiel, ich kommandiere meine sechsbeinigen Stoßtrupps aber direkt vom Schlachtfeld aus.

Eine faszinierende Welt

Entsprechend eindrucksvoll sind die Größenverhältnisse, wenn ich über Autoreifen und weggeworfene Dosen klettere oder kleine Pfützen zu gigantischen Seen werden. Auch die übrige Miniatur-Tierwelt ist hervorragend dargestellt. Dumpf brummend schweben sanfte Hummeln über die Ameisen-Städte, während Wespen wie Jagdbomber durch den Himmel rasen. Besonders fies sind die aus Ameisen-Sicht gigantischen Spinnen, die fies zischend in ihren Netzen lauern, wie Kankra in den Tunneln über Cirith Ungol.

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Dem Studio gelingt es dabei, die faszinierende Schönheit dieser kleinen Welt in brillante Bilder zu gießen. Denn Tower Five setzt nicht auf Abstraktion, sondern beinahe unwirklichen Realismus. Egal ob knorrige Äste, trockene Blätter oder düstere Felsspalten: die Unreal Engine 5 inszeniert das Universum zu unseren Füßen in fantastischer Grafik. Deren Qualität wird nur durch ihre Bewohner überboten. Vor allem die Darstellung der emsigen, sechsbeinigen Protagonisten hat mich begeistert, erst recht im sanften Licht- und Farbenspiel des Waldes.

Wenn Kolonnen von Ameisen von der sanften Morgensonne durchschienen werden, während sie auf satt grünen Grashalmen ihrem Tagewerk nachgehen, dann ist das die ganz große Videospiel-Magie. Wenn man hier die Augen etwas zusammenkneift, kann man Spiel kaum noch von Dokumentation unterscheiden - und hat beinahe den Kommentar des legendären David Attenborough im Ohr.

Leider auch ein (Strategie-)Spiel

Allerdings - und das ist beinahe schon eine Schwäche dieser faszinierenden Waldboden-Simulation - ist Empire of the Ants eben auch noch ein Spiel. Und zwar meistens ein Echtzeit-Strategiespiel. Dessen Schlachten finden auf einzelnen Karten statt, die ich über Gespräche mit Ameisen an den großen Städten erreiche. Dazu gibt es noch Taktik- und Aufklärungs-Einsätze, dazu aber später mehr.

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In den Strategie-Missionen starte ich mit einem zentralen Nest und einer Legion Krieger-Ameisen, die per Tastendruck über das Schlachtfeld scheuche. Empire of the Ants ist dabei komplett auf den Controller ausgerichtet. Zwar ist auch die Kontrolle mit Maus und Tastatur möglich, insgesamt aber die erkennbar schlechtere Wahl.

Die Controller-Belegung ist aber sehr gelungen - auch weil es nicht viele Optionen gibt. Mit den Schultertasten wähle ich die gewünschte Legion aus einer Leiste am unteren Bildschirmrand aus. Mit dem linken Trigger kann ich auf Orte, Feinde oder Nester zielen und die gewählten Trupps mit dem rechten Trigger auf den Weg schicken. Dazu gibt es vier Pheromon-Fähigkeiten, die ich per Steuerkreuz auslöse. Unter ihnen befinden sich ein Schadensschub, Heilung oder ein kurzzeitiger Sprint.

Stein-Schere-Kriegerameise

Dreh- und Angelpunkt in den strategischen Missionen sind die über die Karte verstreuten Nester. Diese werden entweder von neutralen Ameisen oder feindlichen Krabblern verteidigt und müssen im Kampf erobert werden. Dann kann ich Wirtschaftsgebäude, Tech-Erweiterungen, Aufklärungs-Fähigkeiten oder Verteidigungseinrichtungen in je drei Stufen errichten. Der Bau erfolgt über Menüs direkt an den Nestern, wobei meine Ameise auf die nötige Fläche laufen muss, um sie zu aktivieren. Das ist etwas unübersichtlich - besonders, wenn am anderen Ende der Karte gekämpft wird.

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Für den Bau der Kammern benötige ich Nahrung und Holz, welche mit passenden Einrichtungen generiert werden. Zudem gibt es Sammelplätze in der Umgebung, die meist von Räubern wie Feuerwanzen oder Spinnen bewacht werden. In jedem Nest kann ich außerdem eine neue Legion anfordern, die sich zudem in drei Stufen verbessern lässt. Dabei ist die Auswahl der Kampftruppen allerdings stark begrenzt.

Es gibt Soldatinnen, Arbeiterinnen und Säure-Ameisen. Die Legionen stehen sich dabei in einem simplen, farbcodierten Schere-Stein-Papier-Dreieck gegenüber. (Soldatin schlägt Arbeiterin, die schlägt Säurespuckerin, welche wiederum die Soldatin schlägt). Dazu kommen rot markierte Unterstützungstruppen wie Mistkäfer oder Hornissen. Diese sind extrateuer, aber auch gegen alle Ameisen-Legionen effektiv.

Zu wenig Abwechslung

Um die strategischen Missionen zu gewinnen, muss ich meine Truppen so geschickt einsetzen, um bis zum Hauptquartier des Feindes durchzubrechen. Dabei werden Legionen aber nur zerschlagen, nicht zerstört. Sie brauchen dann einige Minuten, um sich in ihrem Nest zu regenerieren, sind aber nie ganz vom Spielfeld entfernt. Entsprechend entsteht ein Tauziehen um neuralgische Engstellen und einzelne Nester, die taktische Vorteile versprechen. Das funktioniert solide, insgesamt habe ich aber zu wenig Einflussmöglichkeiten. Es gibt ja nicht mal Moral oder Flanken-Boni. Ich kann zwar aktiv mit Pheromon-Fähigkeiten unterstützen, insgesamt sind die Schlachten aber sehr gleichförmig, zumal sich dieses Muster über viele Missionen wiederholt. Etwas spannender sind die Taktik-Einsätze. Hier muss ich mit einer vorgegebenen Zahl Legionen und Nestern auskommen - etwa um mich gegen Wellen zu verteidigen. Trotzdem fehlt es auch hier an Abwechslung.

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Dazu fehlt mir im Kampf die Brutalität der Natur. Die Animationen sind schwach und simpel. Es gibt keine abgerissenen Beine, keine durchtrennten Insektenkörper. Das ist angesichts der heftigen Kämpfe etwas schade und bricht mit dem ansonsten unheimlich realistischen Look.

Noch viel öder als die gleichförmigen Strategie-Missionen sind allerdings die Erkundungs-Einsätze. Hier setzt das Spiel viel zu sehr auf seine etwas hakelige Bewegungs- und Sprungmechanik - etwa wenn man über Wasserpflanzen hüpft oder Falter fängt. Hier weicht das Spiel viel zu sehr von seinen Strategie-Wurzeln ab und nervt eher mit Belanglosigkeiten.

Empire of the Ants ist ein wunderschönes und ambitioniertes Ameisen-Abenteuer, welches das Universum zu unseren Füßen in fantastischer Kulisse illustriert. Jenseits seines Insekten-Simulators krabbelt die Echtzeit-Strategie aber etwas zu kurz. Es gibt in den Missionen zu wenig Abwechslung, die Bedienung bietet gleichzeitig zu wenig taktische Optionen und ist beim Bau der Nester etwas zu unübersichtlich. Dazu kommen merkwürdige Erkundungs-Einsätze, die wenig zur Handlung beitragen, aber mit ihrer Spielmechanik eher nerven als bereichern. Immerhin gibt es einen Multiplayer-Modus, der aber ebenfalls unter etwas zu wenig Varianz in den Armeen leidet.

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Author: Stevie Stamm

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